Die Suche nach einer Alternative zu Windows führte mich zu Linux – ein Umstieg, der sich trotz anfänglicher Herausforderungen gelohnt hat.
Vorgeschichte
Vor ein paar Monaten entschied ich mich, im privaten Umfeld mal wieder nach Alternativen zu Microsofts Windows umzuschauen.
Zugegeben, das war nicht mein erster Ausflug in die Welt anderer Betriebssysteme:
- Für die Arbeit erfreue ich mich an einem Macbook Air von Apple, das mit seinem pfeilschnellen M2 und ohne Lüfter eine unglaublich gute Figur macht.
- Ein paar Laptops älteren Semesters kamen bereits vor Jahren in den Genuss von Ubuntu. Sie stießen mit Windows entweder deutlich an ihre Leistungsgrenzen und/oder ich war von der Bloatware der Hersteller genervt.
- Mein Raspberry Pi läuft rund um die Uhr mit Raspberry Pi OS (ehemals Raspbian). Dank Pi-Hole bin ich etwas anonymer im Netz. Mit Homebridge bringe ich einige Smarthome-Geräte in mein Apple-Home, die dort eigentlich nicht gesteuert werden könnten.
Mein PC, dem ich alle paar Jahre ein paar neue Hardwarekomponenten spendiere, war bis dahin fest in der Hand von Microsofts Windows.
Zu sehr scheute ich mich, dort den Wechsel zu wagen. Schliesslich zocke ich dort gelegentlich auch mal Games abseits von Minesweeper und Solitair und nutze sogar hin und wieder VR-Brillen wie die Meta Quest 3 in Verbindung mit Lenkrädern für Games wie den Euro Truck Simulator 2 und Flugsticks für Microsofts Flight Simulator eine noch immersivere Erfahrung.
Ausserdem hörte ich immer und wieder, dass Gaming unter Linux ressourcenhungriger ist und da ich nicht über High-End-Hardware verfüge hatte ich doch Sorgen, dass ich aktuelle Games nicht in Full-HD(!) bei akzeptablen Grafikeinstellungen zocken kann.
Meine Anforderungen
Ein Betriebssystem ist für mich nicht etwas, mit dem ich mich nicht länger als unbedingt nötig beschäftigen möchte. Ich möchte ein System, das einfach läuft. So wie ich es von Windows und MacOS kenne.
Ausserdem soll es idealerweise von Beginn an für Spiele optimiert sein ohne dass ich zu viel frickeln muss bis etwas läuft.
Ich nutze ausserdem Moonlight um Games und anderes von meinem PC, auf dem dafür Sunshine läuft, auf mein Smartphone, meinen AppleTV und so weiter zu bringen. Auf die Art und Weise kann ich am Fernseher im Wohnzimmer Games zocken, die auf der Nintendo Switch nicht laufen oder mir dort schlicht zu teuer sind und ich lieber auf Steam oder GOG kaufe.
Erste zarte Gehversuche
Nicht zuletzt durch die Zollpolitik von Donald Trump angetrieben wollte ich Linux nun eine weitere Chance geben. Ich entschied, dass ich Linux dieses Mal nicht parallel zu Windows installieren möchte, sondern exklusiv.
Wer sich schonmal etwas mit Linux auseinandergesetzt hat wird wissen, dass es eine riesige Auswahl gibt. Angefangen bei den Distributionen, die Windows sehr ähneln über solche, die speziell auf Gaming ausgelegt sind, bis hin zu echt geekigen, die ich vermutlich nicht einmal ans Laufen bekommen würde.
Da ich meinen PC in erster Linie fürs Gaming nutze, wollte ich dann auch direkt mit einer dafür optimierten Distribution starten und informierte mich, welche Distribution für mich wohl besonders gut geeignet sein könnte.
Für ein optimales Linux-Gaming-Erlebnis entschied ich mich für Nobara Linux. Nach dem Herunterladen des Images und dem Erstellen eines bootfähigen USB-Sticks begann ich mit der Installation von Nobara Linux, einer der besten Linux-Distributionen für Gaming, wie es in der Community heisst.

Ein wunderschöner Desktop mit tollen Funktionen fürs Gaming.
Nach dem Starten des Livesystems konnte ich endlich mit der Installation beginnen. Optisch war ich überzeugt und es fühlte sich auch alles prima an. Ich testete also die Anforderung, die sich am leichtesten testen liess: Moonlight.
Zu meiner großen Enttäuschung schaffte ich es nicht, Sunshine zum Laufen zu bringen, was vermutlich am verwendeten Desktop lag und ich nicht in der Lage war zu lösen, da sich kein anderer Desktop installieren liess.
Von der ersten Erfahrung etwas gefrustet, schliesslich vergeht ja doch etwas Zeit, bis die Distribution heruntergeladen und installiert ist, entschied ich mich für das Linux, das als sehr Einsteigerfreundlich gilt und sich auch an Umsteiger richtet.

Der Deck Mode von Nobara ist wie geschaffen, auf dem Fernseher zu zocken. Schade, dass es mit dem Streaming nicht klappte.
Linux Mint
Die nächste Distribution, die ich testen wollte war Mint. Nachdem ich bereits etwas Erfahrung mit Ubuntu gemacht habe, wollte ich darauf setzen, da es mir etwas vertrauter erschien.
Nachdem ich wieder die Distribution heruntergeladen und auf einen USB-Stick gepackt habe, den ich zwischenzeitlich in einer Schublade fand, konnte es losgehen. Der Stick bootete und das Livesystem wurde nach einer Zeitspanne angezeigt, die ich als zumutbar empfand.
Weiter ging es mit der Installation, gefolgt vom anschliessenden Start des Betriebssystems.
Zu Beginn erfreute mich ein Wizard, der mich durch verschiedene Tools, wie auch das Backup-Tool, führte. Ich fühlte mich super abgeholt und entschied mich beim Backup-Tool alles (alles alles) zu backuppen und damit riesige Backup-Files auf meinem NAS zu erzeugen, die eine Ewigkeit zum Erstellen brauchen. Ein Fehler, den ich später korrigierte.
Nun war wieder Sunshine dran. Und es lief! Ich war aus dem Häuschen.
Dann wühlte ich weiter um zu testen, ob Mint für mich die richtige Distribution ist. Also installierte ich Steam.
Dank Steam kamen dann die ersten Games auf den Rechner. Mit Kingdom Come Deliverance wollte ich ein echtes Schwergewicht (sofern ich das beurteilen kann) aus meiner Sammlung testen.

Verstecken muss sich der neue Cinnamon Desktop wirklich nicht
Erste Games
Ich war verblüfft, wie gut Kingdom Come Deliverance lief. Meine Mid-Tier Grafikkarte, eine Powercolor Radeon RX 7800 XT Hellhound, in Verbindung mit meinem deutlich in die Jahre gekommenen AMD Ryzen 5 AM4 Prozessor meisterten das Game unter Linux Mint gefühlt so gut wie unter Windows 11.
Ein echter Meilenstein!
Ich entschied mich dann, weitere Games wie den Microsoft Flight Simulator, den Euro Truck Simulator 2 und weitere mehr oder weniger hardwarehungrigen Games unter Steam auszuprobieren und alles funktionierte tadellos.
Ich begann mutiger zu werden und über Lutris und Heroic Games Launcher die GOG, Epic und Ubisoft Stores anzubinden und auch von dort einige Spiele zu testen.
Das fühlte sich schon etwas hakeliger als unter Steam an. Teilweise liefen Games unter Heroic, aber nicht unter Lutris und anders herum. Alles mit Sicherheit lösbar und meiner Unbedarftheit geschuldet.
Verwendung meiner Controller
Spiele wie der Microsoft Flight Simulator und Euro Truck Simulator machen ja erst so richtig Spaß, wenn man sie mit entsprechenden Eingabegeräten spielt. Wie sich herausstellte, war die Einrichtung super einfach, sofern sie überhaupt eingerichtet werden mussten. Teilweise war die Erfahrung tatsächlich besser als unter Windows.
Was den Flugsimulator betrifft war ich mir recht sicher, dass der Controller erkannt werden würde und wurde auch nicht enttäuscht. Plug and play – Alles prima.
Bedenken hatte ich bei meinem Logitech G25 Lenkrad mit Force Feedback, Schalteinheit und Pedalen. Es handelt sich hierbei um ein recht altes Modell aus den 2000ern. Unter Windows musste ich eine alte Logitech Software installieren, um das volle Potential entfalten zu können, was sich echt frickelig anfühlte. Auch war das UI der Software schlecht gealtert.
Ich war mir sicher, dass das unter Linux so nicht funktionieren würde.
Nach kurzer Recherche stiess ich allerdings auf das fantastische lg4ff und alles funktionierte. Ich konnte wie gewohnt mit meinem virtuellen Truck durch halb Europa scheppern und das Lenkrad machte mit seinem Force Feedback gewohnt tolle Arbeit.
Eines fehlte mir aber noch zur ultimativen Immersion…
VR unter Linux
Mein VR Headset, die Meta Quest 3, sollte als nächstes den Linux-Test angehen.
Das wollte zu Beginn nicht so richtig klappen, bis ich nach kurzer Zeit auf ALVR stieß.
Die Einrichtung der VR Brille war deutlich frickeliger als unter Windows. Aber schlussendlich habe ich auch das zum Laufen gebracht und konnte Titel wie den Euro Truck Simulator oder auch den Microsoft Flight Simulator wieder in VR geniessen.
Was mich allerdings noch immer wurmte war, dass manche Games unter Lutris liefen, andere unter Heroic. Ich war mir sicher, dass es an der Wine Version liegen musste, nur wusste ich nicht, wie ich das konfigurieren konnte.
Ich fand mich damit ab, mal Lutris für „Lego – Indiana Jones„, mal Heroic für „Lego – Der Herr der Ringe“ starten zu müssen.
Später kaufte ich ein Spiel, das mich Zwang, mich etwas etwas genauer nach dem „Warum“ umzusehen.
Linux bootet nicht mehr
Eines Tages bootete ich meinen Rechner und nichts ging mehr. Irgendwas muss bei einem Updateprozess schiefgegangen sein und ich fand mich da wieder, wo ich nicht hin wollte. In der Frickelhölle wo ich irgendwelche Kommandozeilenbefehle aus Internetforen eintippte von denen ich überhaupt keine Ahnung hatte, was sie tun und ob sie mir helfen würden.
Haben sie schlussendlich auch nicht.
Ich erinnerte mich, einige Wochen zuvor mal eine seltsame Meldung bekommen zu haben, die irgendwas sagte wie, dass dies und das nicht für den Kernel xyz gebaut worden sei. Keine Ahnung.
Ich entschied mich, das System iterativ auf einen Stand immer weiter in der Vergangenheit zurückzusetzen. Zum Glück hatte ich die Backup-Funktion eingerichtet. Bei irgendeinem früheren Backup funktionierte dann alles wieder. Das mulmige Gefühl mit der Befürchtung, dass mir das dasselbe beim folgenden Update erneut geschieht war natürlich riesig. Aber es geschah nicht mehr.
Cyberpunk 2077 und der große „AHA“ Moment
Als frisch gebackener Besitzer einer Nintendo Switch 2 war mein Interesse auf Cyberpunk 2077 gerichtet. Das Spiel, das zu seiner Anfangszeit nicht unbedingt die besten Schlagzeilen hervorbrachte und nach Release noch eine Weile brauchte um aus einer Beta-Phase zu kommen. Zumindest suggerierten mir verschiedene Medien das. Betroffen war ich nicht, da ich das Spiel zu der Zeit noch nicht besaß.
Ich schaute also im Nintendo Store nach. Rund 70€ waren für die „Ultimate Edition“ fällig. Das war mir zu viel.
Dann schaute ich bei Steam nach. 60€ wurde dort für die „Standard Edition“ verlangt.
Zuguterletzt schaute ich bei GOG wo die „Standard Edition“, fast schon erwartet, deutlich günstiger, nämlich für rund 25€ zu haben war. Ich schlug zu und lud das Spiel über den Heroic Games Launcher herunter. Rund 70GB für das Spiel. Nicht gerade wenig.
Als alles fertig war drückte ich auf den „Play“ Knopf. Nichts passierte. Auch beim zweiten und dritten Versuch rührte sich nichts, ausser dass irgendwelche Windows-Bibliotheken nachinstalliert wurden.
Ich dachte „Kacke, jetzt krieg ich das nicht ans Laufen“ und fühlte mich in meiner Anfangsskepsis, dass es unter Linux frickeliger ist, sofern nicht über Steam, bestätigt.
Ich ging auf ProtonDB um zu schauen, ob irgendwelche Tweaks nötig waren. Denn zuvor hatte mir ProtonDB gesagt, dass das Spiel unter Linux laufen sollte.
Ich stieß immer und immer wieder darauf, dass Nutzer über verschiedene Versionen von Proton und Wine sprachen und ich wusste nicht, wie ich das im Heroic Games Launcher so einstellen soll. In den Spieleinstellungen hatte ich immer nur eine Wine-Version zur Verfügung.
Geht also doch!
Dann fand ich doch zufällig in den allgemeinen Einstellungen des Heroic Games Launcher, also nicht denen des Spiels, die Möglichkeit, spezifische Versionen von Proton und Wine herunterzuladen. Ich tat das und konnte dann die Version, die ich gerade installiert habe, in den Einstellungen des Spiels auswählen…
…und es lief!
Es lief sogar extrem gut! Mangohud sagt mir stabile 60FPS mit ordentlicher Auslastung von CPU und GPU bei FullHD mit höchsten Grafikeinstellungen (Ohne Raytracing).
Wenige Tage später wollte Euro Truck Simulator nicht mehr starten, weil irgendwelche ausführbaren Dateien fehlten. Ich deinstallierte das Spiel und installierte es erneut. Kein Erfolg.
Kurz ins Netz gegangen um zu sehen, dass ich bei Steam unter den Kompatibilitätsoptionen „Proton“ einstellen solle. Gesagt getan, Spiel läuft wieder.
Fazit
Mein Umstieg von Windows zu Linux war eine bereichernde Erfahrung. Trotz anfänglicher Herausforderungen bietet Linux eine stabile, sichere und flexible Alternative, die ich jedem empfehlen kann, der bereit ist, sich auf Neues einzulassen.
Schaut aber vorher, ob eure häufig verwendeten Programme unter Linux laufen und wenn nicht, ob es Alternativen gibt, die euren Vorstellungen entsprechen.
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